Von Knicks und Seeadlern
Geführte Radtour für Naturgenießer
Wir trafen uns in Hohwacht vor der Touristinformation am Berliner Platz und radeln dahin, wo der Tourismus angefangen hat, nach Haßberg. Ende des 19. Jahrhunderts kamen auf der neu gebauten Bahnstrecke zwischen Malente und dem sechs Kilometer von Hohwacht entfernten Lütjenburg (leider stillgelegt, wie so manche liebgewonnene Strecke der Deutschen Bahn) erste Erholungssuchende aus den Städten − vor allem nach Haßberg. Hier entstand das erste Kurzentrum. Der Weg von Hohwacht über Haßberg nach Schmiedendorf ist immer wieder besonders schön. Er windet sich zwischen alten Eichen kurvenreich durch die hügelige Landschaft und gibt immer wieder neue, unerwartete Ausblicke frei – für die wir als Naturgenißer natürlich anhalten… Wir werfen einen Blick auf die abgeernteten Felder, auf die Kapelle, die nie eine war und die roten Ziegeldächer von Gut Neudorf, wo die spätere Zarin Katharina II. als Prinzessin zu Gast war. Ob sie auf dem „romantischen Weg“ von der „Kapelle“ bei Neudorf nach Haßberg gewandelt ist, wie in ihrer Epoche der Romantik üblich, weiß man nicht, aber den Blick auf die Kossau finden nicht nur Literaten romantisch. In diesem Wasserlauf findet man wohl keine Perlen (mehr; wenn auch die vom Aussterben bedrohte Flussperlmuschel Margeritifera margeritifera hier noch vorkommen soll), aber er ist eine echte Perle unter den Wasserläufen in Holsteins östlichem Hügelland. Nördlich von Plön entspringt das Flüsschen in der Weidelandschaft, quert zwei kleine Seen und quält sich durch den begradigten Oberlauf, der einem künstlichen Graben ähnelt. Der naturbelassene Mittellauf der Kossau windet und schlängelt sich in Mäandern durch sein Tal, das die Schmelzwasser der Eiszeit gegraben haben, fließt hinter Lütjenburg durch Wiesen und Bruchwald und mündet im Großen Binnensee, wo der Seeadler zu Hause ist. Der Seeadler ist und war ebenso von menschlichen Aktivitäten bedroht wie die Flußperlmuscheln, gegen 1900 war der Brutbestand nahezu erloschen, dennoch hat die Vogelart Haliaeetus albicilla überlebt. Die „Alte Burg“ über dem Großen Binnensee bietet genau das, was Seeadler brauchen: Ein nahrungsreiches Gewässer und ein Buchenaltholz mit hohen auf einer Geländeerhebung stehenden Nistbäumen: Bitte nicht stören! Wir fahren weiter zu den Langbetten am Ruserberg für steinzeitliche Inspirationen. Der Fotograf Johannes Groht, von dem auch die tollen Alsterfotos (siehe oben) stammen, hat im Buch „Tempel der Ahnen – Megalithbauten in Norddeutschland“ auch die drei von ehemals mindestens neun Langbetten, die noch in dem Wäldchen bei Futterkamp, viele noch in ihrer ursprünglichen Position, stehen und beeindrucken. Vom Grabhügel hat man einen beeindruckenden Blick übers östliche Hügelland bis zur Ostsee. Vorbei am Hofladen des Erdbeerhofes Manthey, wo im Oktober Apfelzeit ist, geht es zum Alten Packhus. Hier kann man sich in die Zeit zurückdenken, als Sehlendorf einen kleinen Hafen hatte, der nach der großen Sturmflut 1634 durch die zurückströmenden Wassermassen aber zu gespült wurde und nicht mehr von Schiffen konnte. Die Handelsschiffe fuhren so weit wie möglich an den Strand, dann nahmen ihnen die Fischerboote die Ladung ab, wenn diese dann auch nicht mehr weiter rudern konnten, übernahmen die Bauern mit Pferdefuhrwerk den weiteren Transport. Ein Lagerplatz war nötig und man baute mehrere Packhäuser. Hier wurden Holz, Salz, Erze, Kalk, Steinkohle, Teer und Getreide gestapelt. 1850 wurde am Packhus eine kleine Gaststube zum Aufwärmen gebaut, für Wartezeiten und Handelsgeschäfte. Mit Eröffnung der Bahnstation Lütjenburg 1891 lohnte dann der Seehandel nicht mehr. Die Radtour lohnte sich sehr und wird 2018 wiederholt.