23 Nov

Widerstandsfähige Killerkeime und verdächtige biologische Strukturen – Infektionen verhüten

Forscher der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) haben vom 19. – 21. November in München sozusagen Viren und Bakterien unter die Lupe genommen. Infektionsforscher arbeiten im Grunde wie Detektive. Sie erstellen ein möglichst exaktes Täterprofil der Keime, der Krankheitserreger.
Sie fahnden beispielsweise nach etwas, das auf lateinisch Schleim, Saft oder Gift heißt, nach sogenannten „biologischen Strukturen“, den Viren. Viren sind keine Lebewesen. Sie können sich nicht selbständig teilen und auch nicht wachsen, sondern brauchen Wirtszellen von Pflanze, Mensch oder Tier. Zu ihrem Steckbrief gehört außerdem, dass sie unter keinem Mikroskop sichtbar und – auch für Reisende wichtig – jeden Filter durchdringen. Viren erregen unter anderem Pocken, Herpes, Masern, Influenza, Aids, Kinderlähmung und Tollwut. Schon aus ägyptischen Hieroglyphen ist die Darstellung einer Polio-Infektion zu lesen und in Mesopotamien hat man im 18. Jahrhundert die Tollwut dokumentiert. Als eigene biologische Einheit haben die medizinischen „Detektive“ das, was man vorher nur als Schleim, Saft oder Gift wahrgenommen hat, erst im späten 19. Jahrhundert identifiziert. Seither geht der Krimi weiter, denn Viren geben nach wie vor viele Rätsel auf.

Den Bakterien sind die Wissenschaftler früher auf die Spur gekommen. Antoni van Leeuwenhoek beobachtete die solche Mikroorganismen im menschlichen Speichel 1676 mit Hilfe eines selbstgebauten Mikroskops. Dem deutschen Mediziner und Mikrobiologen Robert Koch gelang es 1876 zum ersten Mal, ein Bakterium lückenlos als Krankheitserreger zu beschreiben. Es war der Erreger des Milzbrandes (Anthrax), der von Rindern, Schafen, Schweinen und Pferden auf den Menschen übertragen wird. Später entdeckte er den Erreger der Tuberkulose und ist so – mit größtem Respekt vor Nobelpreisträger Koch – der erfolgreiche Oberinspektor im Bakterienkrimi. Neben der Tuberkulose werden auch Lungenentzündung, Durchfallerkrankungen und Lyme-Borreliose durch Bakterien verursacht. Vom biologischen Design her eher langweilig, es gibt nur Kugeln, Stäbchen und schraubenförmige Bakterien, sind sie als „Kriminelle“ äußerst vielseitig und überleben unter nahezu allen Bedingungen. Um es gleich vorweg zu sagen: Sie sind – auch im hygienisch einwandfreien Haushalt – überall und man wird sie einfach nicht los. Das ist auch kein Problem. Die Gefahr beginnt erst wenn die Bakterien beginnen, sich durch Teilung zu vermehren, denn sie teilen sich, wenn sie günstige Verhältnisse vorfinden, in rasender Geschwindigkeit.

Bakterien die Vermehrung zu vermiesen, ist eine der Hauptaufgabe der Hygiene. Experten dieses Fachgebietes wollen Krankheiten verhüten, unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit erhalten und steigern. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen und den einzelligen „Kleinstkriminellen“ möglichst ungünstige Verhältnisse zu schaffen. Bakterien sind nämlich, was ihre Vermehrung betrifft, durchaus anspruchsvoll. Die meisten bevorzugen Temperaturen zwischen zwischen 20 und 25 Grad, weshalb ja die Natur das Fieber als Bakterienkiller „erfand“. Viele Bakterien brauchen einen hohem Eiweißgehalt im Umfeld, den finden sie in Mayonnaise, Fleisch und Eierspeisen, die deswegen der ideale Nährboden für die gefürchteten Salmonellen sind. Außerdem mögen es die Bazillen und ihre Kollegen feucht, weshalb man schon vor langer Zeit die Trocknung von Früchten, Stockfisch oder Knäckebrot zum Haltbarmachen entdeckte. Denn auch das „Vergammeln“ unserer Lebensmittel ist das Werk von Bakterien. Außerdem mögen es viele Bakterien nicht gerne sauer, daher legt man ja auch Gurken und Kraut sauer ein.

Im medizinischen Bereich rückt man den Erregern mit hohen Temperaturen von über 100 Grad im Hochdrucksterilisator, dem Autoklaven, zu Leibe und mit „hygienischer Händedesinfektion“. Dazu werden Schmuck und Ringe entfernt und die trockenen Hände mindestens 30 Sekunden lang gründlich mit einer ausreichenden Menge Desinfektionsmittel eingerieben. Die medizinische Händedesinfektion gilt als effektivstes und wichtigstes Verfahren zur Verhütung der gefürchteten Krankenhausinfektionen. Diese Nosokomilainfektionen, Erkrankungen, die in zeitlichem Zusammenhang mit einem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung oder einem Arztbesuch stehen – und nicht schon vorher bestanden – sind die häufigsten Infektionen in den Industrieländern. Ihre Bekämpfung war ein Schwerpunkt des Kongresses in München.

Die Infektionsforscher beschäftigten sich auch mit der zunehmenden Ausbreitung von Krankheitserregern, die gegen Antibiotika resistent sind und der effektiven Eindämmung resistenter Bakterien. In den letzten Jahrzehnten haben vermutlich der hohe Antibiotikaverbrauch und der vermehrte Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika in der Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten zu einer deutlichen Zunahme von multiresistenten Erregern geführt (Quelle: Wikipedia). Als Multiresistenz bezeichnet man in der Medizin eine Form der Resistenz (Widerstandsfähigkeit) bei der sogenannte Keime gegen mehrere verschiedene Antibiotika (antibakterielle Mittel) beziehungsweise Virostatika (Mittel zur Therapie virusbedingter Infektionen) unempfindlich sind. Sie werden auch als MRE-Keime/ MultiResistenteErreger bezeichnet. „Es ist eine Kernaufgabe der Infektiologie, das Wissen darüber, wie diese Infektionen verhindert und behandelt werden können, voranzutreiben“, sagt Prof. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Uniklinikum Köln. Nötig wären mehr Spezialisten für Infektionskrankheiten, die Patienten mit komplexen Erkrankungen behandeln und die auch die Fortbildung anderer Arztgruppen sicherstellen könnten, so der Präsident der DGI.
Nötig ist auch Händeseinfektion nach allen Regeln der Hygiene in den Krankenhäusern, Pflegeinrichtungen und Arztpraxen – und im Privathaushalt? „Nach dem Abort, vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen.“ Omas Regel ist heute so wertvoll wie 1900. Und: Wenn die biologischen Strukturen oder die Einzeller zugeschlagen haben, soweit wie möglich auf Antibiotika verzichten. Oft helfen ja auch Omas Hausmittel bei der Wiederherstellung des Wohlbefindens.

Links zur Verhütung von Krankheiten:
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Deutsche Gesellschaft für Infektiologie
Robert Koch-Institut